Organisierte Kriminalität - die stille Unterwanderung des Rechtsstaats
- OMEGA 24

- 24. Okt.
- 4 Min. Lesezeit

Wie kriminelle Familiennetzwerke Polizei, Sozialsystem und Wirtschaft infiltrieren – und warum der Staat an seine Grenzen stößt. Ein Bericht zur Veröffentlichung des Bundeslagebildes zur Organisierten Kriminalität am 24.10.2025.
Einleitung
Organisierte Kriminalität (OK) ist längst kein Randphänomen mehr. Sie ist ein strukturelles Problem, das den deutschen Rechtsstaat in seinen Grundfesten herausfordert. Von Sozialbetrug über Geldwäsche bis hin zur Unterwanderung staatlicher Institutionen – kriminelle Familiennetzwerke agieren strategisch, brutal und mit wachsender Raffinesse. Dieser Artikel beleuchtet die historischen Wurzeln, aktuellen Entwicklungen und systemischen Schwächen im Umgang mit der organisierten bzw. der Clankriminalität in Deutschland.
Historische Wurzeln: die Eskalation begann in den 1990er-Jahren
Bereits Mitte der 1990er-Jahre warnten Experten vor einer neuen Qualität organisierter Gewalt. Besonders kosovoalbanische Tätergruppen traten mit militärischer Disziplin und dem Einsatz von Schusswaffen auf eine oft überforderte Polizei und eine politisch zögerliche Führung. Sie etablierten sich im Rotlichtmilieu und im Betäubungsmittelhandel – und setzten neue Maßstäbe in Sachen Brutalität und strategischer Unterwanderung. Diese Phase markierte den Beginn einer Entwicklung, die heute in Form ethnisch abgeschotteter Clanstrukturen sichtbar ist.
Gewalt und Waffen: vom Messer zur Schusswaffe
Die Gewalt innerhalb der Clankriminalität hat sich radikalisiert. Wo früher das Messer dominierte, ist heute die Schusswaffe das Mittel der Wahl. Diese Eskalation ist Ausdruck eines verzerrten Menschenbildes, in dem Gewalt als Stärke gilt und Haft als Statussymbol. Clanmitglieder, die in Justizvollzugsanstalten einsitzen, werden von ihren Familien als Helden gefeiert. Die Haftanstalt wird zur Durchgangsstation – nicht zur Abschreckung.
Drogen und Betäubungsmittel (Btm): familiäres Geschäftsmodel
Laut dem aktuellen BKA-Lagebild 2025 hat sich der Drogenhandel in Deutschland massiv ausgeweitet. Kokain, Crack und synthetische Drogen sind in allen gesellschaftlichen Schichten verfügbar. Die Einfuhrmengen über Häfen wie Hamburg und Rotterdam erreichen Rekordwerte. Clanstrukturen nutzen diese Dynamik gezielt aus: sie agieren arbeitsteilig, international vernetzt und verschleiern Geldflüsse über Kryptowährungen und Immobilienkäufe. Neben dem Straßenhandel gewinnt der digitale Drogenmarkt an Bedeutung. Über verschlüsselte Plattformen im Darknet werden Drogen anonym und weltweit verschickt.
Infiltration des öffentlichen Dienstes: Polizei im Fokus
Schon in den 1990er-Jahren warnten Kriminologen vor der Gefahr, dass kriminelle Strukturen den öffentlichen Dienst unterwandern könnten. Heute ist diese Warnung Realität. In mehreren Bundesländern wurden Fälle bekannt, in denen junge Männer aus bekannten Clanstrukturen erfolgreich die Polizeiausbildung durchlaufen haben. Die Strategie: Familienmitglieder, die nicht direkt in kriminelle Aktivitäten involviert sind, werden gezielt von illegalen Handlungen ferngehalten, um sie als „saubere“ Kandidaten für den Staatsdienst zu positionieren. Einmal im Dienst, erhalten sie
Zugang zu sensiblen Daten und internen Abläufen.
Die aktuellen Zahlen und Auswertungen aus Oktober 2025 belegen diese bisherigen Vermutungen, denn es mehren sich Hinweise auf Korruption innerhalb staatlicher Institutionen. Ermittlungen gegen Polizeibeamte und andere, im öffentlichen Dienst Beschäftigte, welche Dienstgeheimnisse gegen Bargeld und Luxusartikel verraten haben sollen, kommen immer häufiger ans Tageslicht und zeigen die Tiefe der Unterwanderung.
Sozialbetrug und Schattenwirtschaft: Milliardenverluste für den Staat
Clans und miteinander verwobene kriminelle Strukturen nutzen das deutsche Sozialsystem systematisch aus. In Gelsenkirchen etwa wurde ein ehemaliges Hotel zur Massenunterkunft für Dutzende Personen umfunktioniert, die mit gefälschten Arbeitsverträgen Bürgergeld, Kindergeld und Wohngeld beantragten – obwohl sie nie gearbeitet haben. Der Schaden: mehrere Milliarden Euro jährlich. Parallel dazu floriert die Schattenwirtschaft. Shisha-Bars, Barbershops und Wettbüros dienen als Umschlagplätze für Bargeld und als Tarnung für Geldwäsche. Die Betreiber wissen genau, wie sie sich im Graubereich zwischen Legalität und Illegalität bewegen müssen.
Der Staat reagiert – aber zu spät und zu zaghaft
Die Ausweispflicht für Beschäftigte in bestimmten Branchen, die 2025 eingeführt wurde, ist ein Schritt – aber sie kommt spät. Die Polizei ist strukturell nicht auf die neue Qualität der Gewalt vorbereitet. Beamte berichten von mangelnder Ausrüstung, fehlender taktischer Ausbildung und einer Justiz, die Verfahren aus Mangel an Beweisen einstellt. Die Politik wiederum schreckt vor einem maximalen Einsatz zurück – aus Angst vor Eskalation, vor medialer Kritik oder aus falsch verstandener Toleranz.
Neue Strukturen: die nächste Generation steht bereit
Der Clan-Forscher Mahmoud Jaraba warnte 2025 vor einer neuen Welle der Clankriminalität, insbesondere unter syrischen und irakischen Familienverbänden. In Städten wie Stuttgart, Nürnberg und Hamburg entstehen neue Strukturen, die sich an den Mustern der libanesischen und türkischen Clans der 1990er-Jahre orientieren. Sie sind lernfähig, adaptiv und strategisch – und sie werden nur dann eingedämmt werden können, wenn der Staat bereit ist, seine Komfortzone zu verlassen.
Bundeslagebild zur Organisierten Kriminalität in Deutschland (Stand: 24. Oktober 2025)
Zentrale Kennzahlen 2024
Ermittlungsverfahren: 647 Verfahren – fünf mehr als im Vorjahr, zweithöchster Wert der letzten zehn Jahre.
Gesamtschadenssumme: 2,64 Milliarden Euro – leicht unter dem Vorjahreswert von 2,7 Milliarden.
Hauptdeliktbereich: Rauschgiftkriminalität mit 259 Verfahren, gefolgt von:
Wirtschaftskriminalität: 112 Verfahren
Steuer- und Zolldelikte: 63 Verfahren
Schleuserkriminalität: 58 Verfahren
Eigentumskriminalität: 47 Verfahren.
Besorgniserregende Trends
Cybercrime-Gruppen: Nur 4 % der Verfahren, aber über 50 % des finanziellen Schadens (1,7 Mrd. Euro).
Bewaffnung: Deutlicher Anstieg beim Besitz von Schuss- und Kriegswaffen.
Rekrutierung Minderjähriger: Zunehmend unerfahrene Jugendliche werden für kriminelle Aktivitäten angeworben.
„Crime as a Service“: Professionelle Dienstleistungen für Geldwäsche und andere Delikte nehmen zu.
Rauschgiftkriminalität im Wandel
Rückgang der Rauschgiftdelikte: -34,2 % auf 228.104 Fälle – bedingt durch die Teillegalisierung von Cannabis.
Tatverdächtige: -34 % auf 175.669 Personen.
Anteil an Gesamtkriminalität: Rückgang von 5,8 % auf 3,9 %.
Geplante Maßnahmen
Unbefristeter Haftvollzug für ausreisepflichtige Gefährder und Straftäter
Konsequente Rückführungen nach Afghanistan und Syrien
Zutrittsverbot zu öffentlichen Schwimmbädern für rechtskräftig verurteilte Sexualstraftäter
Erweiterte Eintragungsdauer im Führungszeugnis für Täter sexuellen Missbrauchs sowie verpflichtende IP-Adressspeicherung zur digitalen Beweissicherung – insbesondere bei Ermittlungen zu Kinderpornografie
Elektronische Fußfessel für Gewalttäter mit Frauen als Opfer
Vermögensabschöpfung bei kriminellen Clan-Strukturen
Gezielter Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei Ermittlungen und zur Unterstützung der Videoüberwachung
Schaffung eines robusten Rechtsrahmens und technologische Aufrüstung zum Schutz vor Bedrohungen durch Drohnen
Fazit: Clankriminalität ist ein Stresstest für die Demokratie
Diese Zahlen des Bundeslagebilds zeigen: die Organisierte Kriminalität bleibt ein strukturelles Risiko mit hoher Anpassungsfähigkeit. Besonders im Bereich Cybercrime und Drogenhandel verschieben sich die Dynamiken rasant.
Clankriminalität ist kein ethnisches Problem – sondern ein strukturelles. Sie nutzt rechtliche Lücken, soziale Schwächen und politische Zurückhaltung. Wer heute noch glaubt, es handle sich um ein Problem einzelner Stadtteile, wird morgen feststellen, dass es längst die Mitte der Gesellschaft erreicht hat. Auch wenn es zu einer vermehrten Geldabschöpfung und einer Beweislastumkehr kommen sollte, so muss sich der Rechtsstaat entscheiden: will er sich behaupten – oder sich weiter unterwandern lassen?

Quellenverzeichnis
Wikipedia: Clan-Kriminalität
FOEPS-Digital: Organisierte Kriminalität in Deutschland
eigene Recherchen








