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Gewalt in Kliniken: Eskalation im Herzen des Gesundheitssystems


Gewalt in der Notaufnahme

Inmitten eines Systems, das dem Schutz und der Heilung des Menschen gewidmet ist, breitet sich eine besorgniserregende Entwicklung aus: Gewalt gegenüber Klinikpersonal nimmt nicht nur zahlenmäßig zu, sondern erreicht auch neue Eskalationsstufen in ihrer Brutalität und Häufigkeit. Was einst als Ausnahme galt, wird zunehmend zur belastenden Realität für Ärztinnen, Pfleger und Rettungskräfte – insbesondere in hochfrequentierten Bereichen wie Notaufnahmen, psychiatrischen Stationen oder Intensivbereichen.


Die Kliniken, einst Orte der Fürsorge und Sicherheit, geraten immer häufiger in den Fokus aggressiver Übergriffe, die nicht nur das medizinische Personal gefährden, sondern auch die Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten infrage stellen.


Diese Entwicklung ist kein isoliertes Phänomen, sondern Ausdruck tieferliegender gesellschaftlicher Spannungen. Überlastung im Gesundheitswesen, Personalmangel, lange Wartezeiten und eine zunehmende Erwartungshaltung gegenüber medizinischen Leistungen bilden einen Nährboden für Frustration und Eskalation. Gleichzeitig spiegeln sich in den Vorfällen auch größere gesellschaftliche Herausforderungen wider – etwa der Umgang mit psychischen Erkrankungen, soziale Ungleichheit oder die Erosion respektvoller Kommunikation im öffentlichen Raum.



Fallbeispiele: Eskalation mit System

Fall Hannover

Am 6. Januar 2025 schlug ein 50-Jähriger im Siloah-Krankenhaus einem diensthabenden Arzt mit der Faust ins Gesicht – nachdem die Begleitperson eines Patienten aufgefordert wurde, den Warteraum zu verlassen.


Der Angeklagte begründete die Tat damit, der Warteraum sei kalt gewesen und er habe Herzschmerzen. Vor Gericht gab er an, ein „netter Mensch“ zu sein, der schon im Sicherheitsdienst gearbeitet habe. Die Vorstrafenliste des Mannes enthält laut Urteilsbegründung u. a. Delikte wie Erschleichen von Leistungen, Betrug und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Eine Frau zu schlagen, erklärte er im Verfahren, sei für ihn unzulässig – offenbar nach einem ihm bekannten Werteparadigma.


Der Arzt selbst arbeitet laut Berichten inzwischen nur noch gelegentlich im Krankenhaus – die persönliche Belastung aus dem Übergriff war erheblich.


Fall Dortmund

Im Klinikum Dortmund wurde im Sommer 2024 eine Pflegekraft während ihrer Nachtschicht von zwei Männern brutal attackiert. Die Täter, laut Polizei Angehörige eines Patienten mit Migrationshintergrund, hatten sich über die Wartezeit beschwert und forderten lautstark eine sofortige Behandlung. Als die Mitarbeiterin versuchte zu deeskalieren, wurde sie geschlagen und getreten – sie erlitt schwere Gesichtsverletzungen und musste operiert werden. Das Klinikum reagierte mit der Einführung von Bodycams für das Personal und einem erweiterten Sicherheitskonzept.


Fall Leverkusen

Das Klinikum Leverkusen registrierte allein im Jahr 2024 über 80 dokumentierte Übergriffe – von Spucken über Treten bis hin zu Morddrohungen. Besonders häufig betroffen: Pflegekräfte in der Notaufnahme. Die Klinikleitung reagierte mit einem umfassenden Gewaltpräventionsprogramm, das alle 2.400 Mitarbeitenden umfasst. In Interviews berichten Mitarbeitende von einem „Verlust des Respekts“ und einer „ständigen Bedrohungslage“.


Bundesweite Tendenz: Zahlen, die alarmieren

Eine Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI) im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft zeigt, dass 73 % der Kliniken angaben, die Zahl der Übergriffe sei in den vergangenen fünf Jahren „mäßig oder deutlich“ gestiegen.


Besonders betroffen ist der Pflegedienst (80 % der Kliniken) und die Notaufnahme als Tatort. Auch wurden bundesweit jährlich etwa 5.300 gewalttätige Übergriffe gegen Gesundheits- und Pflegepersonal registriert (Stand 2022) laut der Bundesgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW).


Die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen: Viele Übergriffe werden nicht angezeigt, sondern als Teil des Berufsalltags hingenommen. Die Hemmschwelle sinkt, die Respektlosigkeit steigt.


Täterstruktur: Angehörige mit Migrationshintergrund im Fokus

Ein wachsender Teil der Übergriffe geht von Angehörigen ausländischer Patienten aus. Diese erscheinen oft in Gruppen, ignorieren Abläufe, betreten gesperrte Bereiche und fordern lautstark Hilfe – auch bei Bagatellfällen wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder leichten Verstauchungen. Wer nicht sofort reagiert, wird beschimpft, bedroht oder körperlich angegriffen.


Die Anspruchshaltung ist oft geprägt von einem fehlenden Verständnis für das deutsche Gesundheitssystem, für medizinische Priorisierung und für das Prinzip der Notfallversorgung. Stattdessen wird das Krankenhaus als Dienstleister betrachtet, der jederzeit verfügbar zu sein hat – unabhängig von Dringlichkeit oder Kapazität.


Einschätzung durch Polizei und Experten

Aus kriminologischer und polizeilicher Sicht handelt es sich bei den Vorfällen häufig um § 223 StGB (Körperverletzung), § 241 StGB (Bedrohung) oder § 123 StGB (Hausfriedensbruch) – insbesondere wenn Angehörige unbefugt in gesperrte Klinikbereiche eindringen.


In schwerwiegenden Fällen kann auch § 225 StGB (Misshandlung von Schutzbefohlenen) relevant sein, wenn Mitarbeitende besonders schutzbedürftig sind.


Experten weisen darauf hin, dass neben langen Wartezeiten, Alkohol- oder Drogenintoxikation auch ein massiver Respektverlust gegenüber Klinikpersonal eine zentrale Ursache ist. Laut DKI/DKG nannten 73 % der Kliniken den Respektverlust als Hauptursache.


Gesellschaftliche Dimension: Kulturkampf im Krankenhaus

Gewalt in Kliniken lässt sich nicht isoliert betrachten: Sie ist sowohl Symptom als auch Spiegel gesellschaftlicher Verwerfungen – Überlastung der Gesundheitsversorgung, mangelnde Primär- und Versorgungsstruktur, Integrations- und Migrationspolitik, kulturelle Konflikte und fehlende Anerkennung des Hilfs- und Pflegepersonals.


Wenn Mitarbeiter sich dauerhaft bedroht fühlen, droht die Versorgungssicherheit. Krankheits- und Personalausfälle steigen. Damit wird das Vertrauensverhältnis zwischen Gesellschaft und Gesundheitssystem beschädigt.


Politische Dimension: Reformbedarf und Tabubruch

Die Vorfälle betreffen nicht nur Klinik- und Gesundheitspolitik, sondern im weiteren Sinne auch gesellschaftliche Integrations-, Migrations- und Sozialthemen. Eine wachsende Erwartungshaltung bei Patienten und Angehörigen sowie eine zunehmende Nutzung der Notaufnahmen in Bagatell- oder nicht-dringlichen Fällen führen zu hoher Belastung der Versorgungssysteme.


Wenn überdies die Forderung erhoben wird, dass „es im Krankenhaus so zu laufen hat, wie ich es will“, dann wird klar: Hier kollidieren verschiedene Wertvorstellungen, Belastungen und Systemschwächen. Eine offene Debatte über den Zusammenhang zwischen Herkunft, Erwartung und Integration ist notwendig – allerdings mit großer Sorgfalt, damit nicht ganze Bevölkerungsgruppen stigmatisiert werden.


Prognose: Eskalation ohne Gegensteuerung

Die Prognose ist düster. Ohne klare politische und gesellschaftliche Intervention wird sich die Situation weiter zuspitzen. Die Täter – oft ohne rechtliches Bewusstsein, ohne kulturelle Einbindung – kommen wieder. Sie kennen keine Konsequenzen, keine Grenzen. Die Kliniken werden zur Bühne eines Kulturkampfes, den das Gesundheitssystem nicht gewinnen kann, wenn es weiterhin schweigt.

Was es braucht, ist mehr als Sicherheitspersonal. Es braucht eine klare Linie: Wer Gewalt ausübt, verliert das Recht auf Versorgung. Es braucht Schulung, Aufklärung – aber auch Sanktion. Denn wer Helfende angreift, greift das Fundament unserer Gesellschaft an.

ree



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